Die griechische Philosophie und das moderne Denken- das ist
ein Thema, das sich von jeher insbesondere der deutschen Philosophie gestellt
hat. Man hat geradezu von der Gräkomanie des deutschen Philosophierens
gesprochen, und das Wort ist sicherlich nicht nur für Heidegger oder die
Marburger Schule des Neukantianismus gultig. Es ist ebenso für die große
Bewegung des deutschen Idealismus selber gültig, der - von Kant inspiriert- von
Fichte bis Hegel eine unmittelbare Rückwendung zu den Denkanstößen der
platonischen und aristotelischen Dialektik unternommen hat. Indessen ist eine
solche Konfrontation für das moderne Denken in einer besonderen Weise eine
doppelsinnige Herausforderung. Auf der einen Seite sollte man nie vergessen,
daß griechische Philosophie nicht Philosophie in jenem engen Sinne meint, den
wir heute mit dem Wort verbinden. Philosophie meint das Ganze theoretischen und
damit wissenschaftlichen lnteresses, und es ist kein Zweifel, daß es die
Griechen waren, die durch ihr eigenes Denken eine weltgeschichtliche
Entscheidung eingeleitet und den Weg der modernen Zivilisation durch die
Schaffung der Wissenschaft entschieden haben. Was das Abendland, was Europa,
die sogenannte >westliche Welt<, von den grollen hieratischen Kulturen
der asiatischen Länder unterscheidet, ist ja gerade dieser neue Aufbruch des
Wissenwollens, der mit der griechischen Philosophie, mit der griechischen
Mathematik, mit der griechischen Medizin, mit dem Ganzen ihrer theoretischen
Neugier und ihrer intellektuellen Meisterschaft verbunden ist. So ist für das
moderne Denken die Konfrontation mit dem griechischen Denken eine Art
Selbstbegegnung.
Primary Language | English |
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Journal Section | Makaleler |
Authors | |
Publication Date | April 17, 2019 |
Published in Issue | Year 2016 Issue: 44 |