Das Nibelungenlied und die Thidrekssaga stellen zwei Aktualisierungen desselben Stoffes dar, und zeigen doch eine Reihe an Unterschieden. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Figur, die das Nibelungenlied Markgraf Rüdiger von Bechelaren, die Thidrekssaga Rodingeir von Bakkalar nennt. Er erstellt ein Figurenportrait und eine Forschungsübersicht, während die Funktionen, die die Figur in beiden Texten für deren Strukturierung übernimmt, extrapoliert werden. Hierbei wird ersichtlich, dass das Nibelungenlied anhand der Figur Rüdigers mittels des Erzählerverhaltens auf der einen, und durch den Einsatz von bekannten Elementen hochmittelalterlich-höfischer Literatur, beispielsweise durch das Brautwerbungsschema, des locus amoenus, durch Konzepte des Tugendrittertums, und die Kontrastierung von Werten christlicher und weltlicher Lebensführung, eine Höfisierung (adaptation courtoise) des gesamten Textes konstruiert. Rüdigers Funktion als Brautwerber Etzels führt im Nibelungenlied gar dazu, dass das Werk als helferzentrierte Brautwerbungsdichtung gelesen werden kann – trotz des Umstands, dass der Markgraf keine Hauptfigur darstellt, kommt ihm eine signifikante Bedeutung für den Gesamttext zu. Dieser höfische Überbau bleibt in der Thidrekssaga aus: Im Nibelungenlied begegnet im Markgrafen Rüdiger ein tugendhafter Ritter in nuce, während er in der Thidrekssagarein funktionalen Charakter bewahrt und an den Stellen auftritt, die seiner für den Fortgang des Plots bedürfen. Das vorbildliche Rittertum Rüdigers führt schließlich zu dem bekannten Vasallitätskonflikt, in dem eine Hierarchisierung der vasallischen Bindungstypen nur scheinbar Abhilfe schaffen kann. Im Zuge dieses Konflikts werden an der Figur des Markgrafen außerliterarische Konflikt verhandelt. Der Artikel demonstriert, dass die Figur im Nibelungenlied eine zentrale, bedeutungs- und strukturbestimmende Bedeutung innehat, während sie in der Thidrekssagamarginal und funktionalisierend genutzt wird.
Nibelungenlied Thidrekssaga Brautwerbungsschema Höfisierung christliche und weltliche Lebensführung
Deutsches Abstract
Das Nibelungenlied und die Thidrekssaga stellen zwei Aktualisierungen desselben Stoffes dar, und zeigen doch eine Reihe an Unterschieden. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Figur, die das Nibelungenlied Markgraf Rüdiger von Bechelaren, die Thidrekssaga Rodingeir von Bakkalar nennt. Er erstellt ein Figurenportrait und eine Forschungsübersicht, während die Funktionen, die die Figur in beiden Texten für deren Strukturierung übernimmt, extrapoliert werden. Hierbei wird ersichtlich, dass das Nibelungenlied anhand der Figur Rüdigers mittels des Erzählerverhaltens auf der einen, und durch den Einsatz von bekannten Elementen hochmittelalterlich-höfischer Literatur, beispielsweise durch das Brautwerbungsschema, den locus amoenus, durch Konzepte des Tugendrittertums, und die Kontrastierung von Werten christlicher und weltlicher Lebensführung, eine Höfisierung (adaptation courtoise) des gesamten Textes konstruiert. Rüdigers Funktion als Brautwerber Etzels führt im Nibelungenlied gar dazu, dass das Werk als helferzentrierte Brautwerbungsdichtung gelesen werden kann – trotz des Umstands, dass der Markgraf keine Hauptfigur darstellt, kommt ihm eine signifikante Bedeutung für den Gesamttext zu. Dieser höfische Überbau bleibt in der Thidrekssaga aus: Im Nibelungenlied begegnet im Markgrafen Rüdiger ein tugendhafter Ritter in nuce, während er in der Thidrekssaga rein funktionalen Charakter bewahrt und an den Stellen auftritt, die seiner für den Fortgang des Plots bedürfen. Das vorbildliche Rittertum Rüdigers führt schließlich zu dem bekannten Vasallitätskonflikt, in dem eine Hierarchisierung der vasallischen Bindungstypen nur scheinbar Abhilfe schaffen kann. Im Zuge dieses Konflikts werden an der Figur des Markgrafen außerliterarische Konflikt verhandelt. Der Artikel demonstriert also, dass die Figur im Nibelungenlied eine zentrale, bedeutungs- und strukturbestimmende Bedeutung innehat, während sie in der Thidrekssaga marginal und funktionalisierend genutzt wird.
English Abstract
The Nibelungenlied and the Thidrekssaga are two actualizations of the same plot, yet they show a number of differences. By outlining the portrait of the protagonist the Nibelungenlied calls Margrave Rüdiger von Bechelaren and the Thidrekssaga calls Rodingeir von Bakkalar, while reviewing pre-existing literature on the subject, the article at hand demonstrates the figures vast differences. In doing so, the article demonstrates that in the Nibelungenlied, an adaptation courtoise (Höfisierung) is achieved through various characteristics of the Margrave, such as the use of a specific narration mode, the employment of the Topos locus amoenus, and the contrasting reflection of Christian and worldly lifestyles and their values. The Nibelungenlied can even be classified as a helferzentrierte Brautwerbungsdichtung (a piece of helper-focused courtship poetry) because of the Brautwerbungsschema (courting scheme) used by Rüdiger to find a wife for his feudal lord Etzel. The Margrave does not pose as a main protagonist, overall, he still is of high importance to the Nibelungenlied. These courtoise elements are absent in the Thidrekssaga. While Rüdiger appears as a model-knight in the Nibelungenlied, his counterpart, Rodingeir, in the Thidrekssaga plays a strictly functional role in advancing the plot. In the Nibelungenlied, the protagonists status as a model-knight culminates in the well-known vasallity conflict, in which a hierarchization of types of vasall obligations only seemingly settles the conflict. Moreover, through this dilemma, the non-literary conflict of Christian and worldly lifestyles is negotiated. The article at hand demonstrates that Rüdiger von Bechelarens character is integral to the meaning and structure of the Nibelungenlied and determines the genre, while Rodingeir von Bakkalar is only employed marginally and functionally.
Adaptation courtoise medieval literature germanic heroic epic poetr Dietrichepik Tugendrittertum
Birincil Dil | Almanca |
---|---|
Bölüm | Research Article |
Yazarlar | |
Yayımlanma Tarihi | 24 Haziran 2021 |
Gönderilme Tarihi | 31 Ocak 2021 |
Yayımlandığı Sayı | Yıl 2021 Sayı: 45 |